Artikel und Interview mit K.-D. Baier

Pressesprecher Bund Internationaler Detektive e.V. und Vorsitzender des DDV

September 2004 für MD (Marketing Direktor)

 

Markenpiraten erbeuten Milliarden    

Im Urlaub decken sich viele Touristen im Ausland mit billigen Produktfälschungen ein. Eine neue EU-Richtlinie soll nun die international boomende Markenpiraterie eindämmen.

Rund um den Globus werden gefälschte Markenprodukte im Gesamtwert von etwa 500 Milliarden Euro umgesetzt, schätzt der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHK). Allein innerhalb der europäischen Grenzen werden für das Jahr 2002 nach Angaben des Bundes Internationaler Detektive (BID) 85 Millionen beschlagnahmte Produktnachahmungen angeführt. Bedenklich muten auch die Zahlen des Zollkriminalamtes (ZKA) an. Demnach ist der Gesamtwert der beschlagnahmten Waren von 1,2 Mio. Euro in 1996 auf 177,9 Mio. Euro in 2003 angestiegen. In den letzten Jahren hat sich der asiatische Raum (VR China, Hongkong, Taiwan, Vietnam, Thailand) als wahrer Boom-Markt für Plagiate gemausert: Rund die Hälfte aller gefälschten und beschlagnahmten Produkte kamen 2003 aus Asien (1999: ca. 22 Prozent). Viele Fälle werden nicht nur aufgeklärt, sondern auch publik gemacht: So gab der Sportbekleidungshersteller Reebok Deutschland kürzlich bekannt, gemeinsam mit dem Hauptzollamt Hamburg-Hafen größere Fälle von Produkt- und Markenpiraterie aufgedeckt zu haben. Gleich mehrere Container mit gefälschten Schuhen und Textilien wurden ausfindig gemacht. Herkunft: China. „Produktpiraterie schädigt die Wirtschaft insgesamt in erheblichem Maße“, sagte dazu Hans-Hermann Deters, Geschäftsführer Reebok Deutschland GmbH, „wir sind weltweit seit Jahren stark in der Bekämpfung der Markenpiraterie engagiert und arbeiten sehr gut mit dem deutschen Zoll zusammen.“

Plagiate durchsetzen alle Warengruppen

Allerdings beschränkt sich die Produktpiraterie längst nicht mehr auf Sportartikel, Designermarken oder Jeans. Gegenwärtig ist es der Medikamentenmarkt, der – in Form von gefälschten Präparaten – boomende Absatzzahlen verzeichnet. Nach Aussage des DIHK-Hauptgeschäftsführers Martin Wansleben sind gegenwärtig gefälschte Viagra-Tabletten unter die Top 15 der Beschlagnahme-Statistik aufgestiegen. Wenig überraschend, denn das Geschäft mit dem blauen Potenzmittel ist ein Milliardenmarkt. Eine neue EU-Richtlinie soll Unternehmen vor Markenpiraten nun verstärkt schützen. So können Unternehmen verlangen, daß gefälschte Artikel zerstört, zurückgerufen oder endgültig aus dem Verkehr gezogen werden. Außerdem erhalten Unternehmen künftig einen Schadensersatz von mindestens einer Lizenzgebühr. Alles schön und gut, aber solange es keine einheitlichen strafrechtlichen Sanktionen in der EU gibt, wird die Fälscher-Industrie auch weiterhin kräftig im Dunkeln produzieren. Der DIHK erwartet sogar, daß die Produktpiraterie mit der EU-Osterweiterung noch weiter ansteigen wird. So werde der Wegfall der ehemaligen EU-Außengrenze, insbesondere zu Tschechien und Polen, die Einfuhr von Fälschungswaren noch leichter machen. Hauptproblem: die rechtliche Situation in den betroffenen Staaten.

Verbraucherschutz wird mißachtet

Gerade im Pharma-Bereich, aber auch bei technischen Ersatzteilen (z.B. Flugzeugbau) wird die massive Gefährdung der Verbraucher deutlich, denn bei der Fälschung von Medikamenten findet eine erhebliche Mißachtung des Verbraucherschutzes statt. „Der Einsatz dermatologisch bedenklicher Stoffe oder die Verwendung von Ersatzteilen mit geminderten Qualitätsmerkmalen sind Beispiele mit einem hohen Risikopotential für Anwender und Verbraucher“, erläutert Klaus-Dieter Baier, Pressesprecher des BID. Ein Blick auf die lange Mitgliederliste des „Aktionskreises Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V." (APM), der Ende 1997 vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Markenverband sowie 15 Unternehmen ins Leben gerufen wurde, macht deutlich, daß im Grunde alle markenproduzierenden Branchen betroffen sind. Nicht nur Unternehmen aus den klassischen „Fälschungsbranchen“ wie der Textilbranche, sondern auch Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Automobilzulieferer, Elektro bzw. Elektronik sind beigetreten. Auch diese Industriezweige sind in zunehmendem Maße von der Verletzung ihrer gewerblichen Schutzrechte betroffen.



Fragen an Klaus-Dieter Baier, Pressesprecher Bund Internationaler Detektive

Welche Produkte werden gefälscht?

Alle, deren Entwicklung mit hohem Kostenaufwand, auch für das Markenimage, verbunden ist. Häufig sind es Produkte, deren eigentliche Herstellung weit günstiger ist als der Abgabepreis an den Kunden. Das ermöglicht eine hohe Rendite.

Wie lassen sich Plagiate von echten Markenprodukten unterscheiden?

Das ist nicht so einfach. Es gibt zwar Fälschungen, die sofort für den Verbraucher erkennbar sind, etwa ein Marken-Kräuterlikör in einer Plastikflasche. Andere gefälschte Produkte, wie Ersatzteile oder Produktchargen mit hohem Fälschungspotential, können nur die eigentlichen Hersteller oder Fachleute identifizieren.

Wer produziert Fälschungen?

Zum einen existieren flexibel agierende Tätergruppen mit fünf bis zehn Mitgliedern. Das Inverkehrbringen erfolgt aber über sowohl illegale als auch legale Strukturen, die in der Größe erheblich variieren können. Es existieren aber auch industrielle Strukturen, die mit beispielsweise 3 bis 5 Mio. Euro eine komplette DVD- und CD-Herstellung im Ausland realisieren.

Wie gehen Unternehmen gegen Markenpiraten vor?
Die Verknüpfung von Prävention und Schadensbekämpfung durch aktive Aufklärung und Gegenmaßnahmen ist der einzige gangbare Weg. Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt: Es existieren Arbeitsstrukturen für die Umsetzung aktiver Maßnahmen. Häufig werden erkannte Angriffe gegen die Schutz- bzw. Markenrechte durch Ermittlungsteams grenzüberschreitend aufgeklärt, oder es werden juristische Maßnahmen im In- und Ausland eingeleitet.

Wie arbeiten Unternehmen mit Wirtschaftsdetektiven zusammen?
Die Kooperation erfolgt mit den verantwortlichen Mitarbeitern oder Fachabteilungen der Unternehmen. Meist erfolgt die Zusammenarbeit mit der Bereichsleitung des gewerblichen Rechtsschutzes. Entscheidend ist die Umsetzung einer effizienten und vertrauensvollen Kommunikation zwischen den externen Ermittlern und allen an der Umsetzung aktiver Maßnahmen im Unternehmen integrierten Mitarb
eiter.

 

 

 

 

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